Flauschbuch reviewed Februar 33 by Uwe Wittstock
Empfehlung!
5 stars
Das Buch beginnt mit dem Weimarer Äquivalent zum Bundespreseeball am 28. Januar, dem letzten großen öffentlichen Ereignis der damaligen Literaturwelt. Bis in den März gibt es dann für fast jeden Tag einen Eintrag. Ich habe das Buch Tag für Tag genau 91 Jahre nach den Ereignissen gehört, und das war schon ein sehr merkwürdiges Gefühl, weil schon wieder die Faschisten in den Startlöchern stehen und das genau die Zeit war, in der Massendeportationsfantasien vom Geheimtreffen in Potsdam bekannt wurden.
Uwe Wittstock hat wirklich sehr viele Quellen aufgetan, auch viele Tagebucheinträge und Briefe. Die Ereignisse werden oft aus der Sicht verschiedener Schriftsteller*innen geschildert. Das ist sehr lebhaft und spannend. Trockenes Herunterbeten von Ereignissen gibt’s hier nicht. Dabei wurde mir erst die Vielfalt und der Reichtum der damaligen Literaturszene so richtig klar. Es kommen auch Einige, die heute nicht mehr so bekannt sind sowie andere, die noch aus der Kaiserzeit stammen. Man …
Das Buch beginnt mit dem Weimarer Äquivalent zum Bundespreseeball am 28. Januar, dem letzten großen öffentlichen Ereignis der damaligen Literaturwelt. Bis in den März gibt es dann für fast jeden Tag einen Eintrag. Ich habe das Buch Tag für Tag genau 91 Jahre nach den Ereignissen gehört, und das war schon ein sehr merkwürdiges Gefühl, weil schon wieder die Faschisten in den Startlöchern stehen und das genau die Zeit war, in der Massendeportationsfantasien vom Geheimtreffen in Potsdam bekannt wurden.
Uwe Wittstock hat wirklich sehr viele Quellen aufgetan, auch viele Tagebucheinträge und Briefe. Die Ereignisse werden oft aus der Sicht verschiedener Schriftsteller*innen geschildert. Das ist sehr lebhaft und spannend. Trockenes Herunterbeten von Ereignissen gibt’s hier nicht. Dabei wurde mir erst die Vielfalt und der Reichtum der damaligen Literaturszene so richtig klar. Es kommen auch Einige, die heute nicht mehr so bekannt sind sowie andere, die noch aus der Kaiserzeit stammen. Man macht sich selten bewusst, wer alles so gleichzeitig aktiv war. Auch nach dem Lesen des Buchs bleibt es für mich unglaublich – und auch ein bisschen unerklärlich – wie schnell die Gleichschaltung der Literatur erfolgte. Zu Beginn gibt es doch ziemlich viele, die glauben, der Spuk würde schnell vorüber gehen bzw. nicht so schlimm werden. Schon wenige Wochen später sind die meisten davon im Exil. Manche befanden sich auf dem Höhepunkt ihrer Karriere, andere hatten gerade ihre ersten Erfolge oder planten ein großes Comeback. Viele konnten dann später nicht mehr daran anknüpfen. Wittstock geht auch darauf ein und auf die nachlässige Aufarbeitung. Nach der Lektüre ist mir unverständlich, warum Gottfried Benn immer noch so hoch gehalten wird.
Ich empfehle das Buch sehr.
Für diejenigen, die noch mehr zum Thema lesen wollen, empfehle ich noch „Ascona“ von Edgar Rai, wo Remarques Exil im gleichnamigen Ort literarisch dargestellt wird.